Saturday, December 30, 2017

States hosting expanded NATO forces reduce own level of security – top Russian diplomat

States hosting expanded NATO forces reduce own level of security – top Russian diplomat
NATO’s military buildup near Russia’s borders dramatically worsens the security situations in countries where troops and equipment of the alliance are being stationed, First Deputy Foreign Minister Vladimir Titov warns.
“[I am] sure that the negative consequences of NATO’s military preparations should spark serious concern among all [sides], as they worsen the security situation with regard to those states whose territories are being used to deploy NATO forces and assets,” Titov said in an interview with Interfax.
On Russia’s national security policies, the official said that Moscow’s military doctrine ranks the NATO build-up “among the top military threats to the country.” This includes military contingents being moved to nations bordering Russia, as well as “creating and deploying strategic missile defense systems,” Titov said.
“These very steps have been undertaken by the alliance year after year in the framework of its policy of ‘restraining’ our country. In Europe, a bridgehead is currently being formed to deploy, should the need arise, an offensive grouping.”
Moscow is also concerned about “the expansion of the alliance’s naval and air-activities” close to Russia’s borders, as well as the creation of “new military infrastructure” and the increase in “the scale and intensity of the exercises,” he said.
“According to further plans to develop the US / NATO missile defense system in Europe, in addition to the already functioning facility in Romania, a similar missile defense base is set to be put into operation in Redzikowo, Poland, in 2018,” Titov added. Earlier this month, Washington reportedly earmarked a whopping $214 million to build airfields, training sites, ranges, and other military installations in an unprecedented military buildup in eastern and northern Europe, targeting what the US has repeatedly called “Russian aggression.”
The planned modernization of air bases located predominantly in eastern Europe near Russia’s borders, as well as in Iceland and Norway, is a part of the $4.6 billion European Deterrence Initiative (EDI) aimed at “reassuring” NATO’s European allies.
The funds will be distributed among nine bases in Latvia, Estonia, Slovakia, Hungary, Romania, Luxembourg, Iceland, and Norway to enable them to house top-of-the line US warplanes, the Air Force Times reported.
NATO has tripled its military presence on Russia’s western borders over the past five years, forcing Moscow to take retaliatory steps, Russian Defense Minister Sergey Shoigu said last week. 
“Four tactical groups of battalion level are a US armored brigade deployed in the Baltics and Poland, the staffs of international NATO divisions in Poland and Romania,” Shoigu said, adding that the number of engagement-ready troops has grown from 10 to 40 thousand. The military bloc has also bolstered its aerial and naval surveillance activities.  Over 30 drills are held each year near Russia’s western borders, the Russian defense chief said, adding that their “scenarios are based on a military confrontation with our country.”
While NATO continues its buildup in Europe, the US has violated the 1987 treaty on the elimination of intermediate-range and shorter-range missiles, Russian President Vladimir Putin recently said.
“Formally,” America’s missile-defense launchers now based in Poland are meant to counter threats, the Russian leader said. “The point is, and specialists know about it very well, those launchers are all-purpose. They can also be used with existing sea-launched cruise missiles with the flight range of up to 2,500 km [1,550 miles]. And in this case, these missiles are no longer sea-launched missiles, they can be easily moved to land,” Putin said.
The Russian Defense Ministry “should take into account” Western military strategies, he said, noting that Russia has “a sovereign right and all possibilities to adequately and in due time react to such potential threats.”
In November, Russia’s envoy to NATO, Aleksandr Grushko, pointed out that NATO’s plans to reform its command structure were modeled on schemes used during the Cold War.

Erfolgreicher Widerstand gegen die Kriegsgefahr erfordert 2018 die breitest mögliche Abwehrfront


Ein friedenspolitischer Rück- und Ausblick auf das Jahrhundertjahr des „Roten Oktober“ von Irene Eckert

1917 Friedlicher Auftakt – Beginnende Unterwanderung

Am 7. November 1917 begann mit der Russischen Oktober-Revolution ein Epochenwechsel, dessen Geburtswehen noch andauern. Mit der Parole „Brot und Frieden“ zog sich die junge Sowjetmacht einseitig aus dem Gemetzel des Ersten Weltkrieges zurück. Das russische Volk begann unter Führung Lenins und der bolschewistischen Partei mit dem opferreichen Aufbau einer neuen, einer humaneren Ordnung ihrer Gesellschaft. Offene und geheime Störmanöver ausländischer Mächte im Bunde mit der inneren Opposition ließen allerdings nicht auf sich warten. Lenins Bemühungen um einen sofortigen und bedingungslosen Frieden mit dem Hauptkontrahenten Deutschland wurden vom Doppelagenten in der jungen Sowjetregierung, dem Ukrainer Lev Davidovitsch Trotsky torpediert. Trotzdem kam es schließlich im 2. Anlauf zum für die Russen äußerst verlustreichen Friedensschluss von Brest-Litowsk in Weißrussland unterzeichnet im Hauptquartier Ost der deutschen Armee. Bereits am 23. Dezember 1917, am Tage nach der ersten Verhandlungsrunde hatten Großbritannien und Frankreich in Paris ein Abkommen getroffen, das die Zerlegung Sowjetrusslands vorsah.1 Von nun arbeitete man in den Botschaften der Amerikaner, Briten und Franzosen mittels eines Heeres von Geheimdienstagenten fieberhaft und mit erheblichen Mitteln daran, die junge Sowjetherrschaft zu stürzen und eine Militärdiktatur zu errichten.

Sommer 1918: Attentat auf Lenin

Am 30. August 1918 sollte ein mörderisches Attentat auf den Revolutionsführer Lenin mittels vergifteter Geschosse dessen Lebensdauer erheblich abkürzen2. Die Täterin war eine junge Frau, Fanja Kaplan, ehemalige Anarchistin und verurteilte „Sozialrevolutionäre“ Terroristin.3 Lenins Lunge war knapp oberhalb dem Herzen durchschossen worden. Eine zweite Kugel verfehlte knapp die Hauptarterie.
Lenin war nur das prominenteste Opfer einer Serie von Attentaten. Von der ersten Stunde an wurden die Sowjetorgane außerdem durch Schädlinge infiltriert.4

Ausländische Militärinterventionen 1918-20

Im Sommer 1918 fielen unter fadenscheinigen Vorwänden US-amerikanische Truppen in Archangelsk und Sibirien ein, wo sie gemeinsam mit Briten, Franzosen und Japanern eine antisowjetische Ordnung zu installieren suchten. Das geschah unter dem 'Friedens'präsidenten Woodrow Wilson und obwohl Amerika nicht mit Russland im Krieg war. Es geschah, obwohl die neue sowjetische Regierung nach allen Seiten hin unverkennbaren Friedenswillen demonstriert hatte. Es ging bereits damals um die geostrategisch wichtigen Rohstoffe der Region. An den Interventionskriegen gegen das junge Sowjetland beteiligten sich bis 1920 insgesamt 14 Interventionsarmeen mit 250 000 Soldaten.5 Die gegen Sowjetrussland kämpfenden Länder hatten offiziell nie eine Kriegserklärung ausgesprochen. In den Geschichtsbüchern wird diese Periode wenn überhaupt, dann unter Bürgerkrieg abgehandelt. Eine bewaffnete Intervention mit all den verheerenden Folgen hat es lehrbuchgemäß nie gegeben. Während der Versailler Friedensverhandlungen war Sowjetrussland zwar Thema, saß aber keineswegs am Tisch. Es wurde boykottiert.

Trotz Sabotage und Terror: Strahlkraft Sowjetrusslands am Horizont

Dennoch, trotz aller Sabotageversuche, trotz weißem Terror, von außen mit massiven Mitteln unterstützt, trotz des frühen Ablebens des geschätzten Revolutionsführers Lenin im Jahre 1924 ging es nach dem Ende der Interventionskriege dank Stalin und seiner Genossen weiser Führung zügig voran. Der soziale Fortschritt war auf allen Ebenen allmählich spürbar. Der Aufbau im Lande wirkte auch nach außen hin als Fanal dafür, dass eine andere, eine bessere Welt möglich ist. Die Literatur von Augenzeugen, die das Sowjetland bereist haben, besonders aus den 30iger Jahren spricht positive Bände6. Die Strahlkraft des ersten Arbeiter- und Bauernstaats nahm stetig zu.

Der Geist von Rapallo musste ausgetreten werden

Das Beispiel durfte nicht weiter Schule machen. Die alliierten Kriegstreiber wetzten daher weiter ihre Messer. Sie waren nicht bereit, ihre Niederlage hinzunehmen. Der große Bankenkrach und die Millionenheere an Arbeitslosen in den kapitalistischen Ländern 1929 hatten das Versagen des vorherrschenden Wirtschaftsmodells vor aller Welt sinnfällig gemacht. Krieg und Faschismus war ihre Antwort. Die Wühlarbeit gegen das positive Alternativmodell nahm zu. Deutschland kam dabei eine Schlüsselrolle zu. Unser Land war das Geburtsland des Sozialismus. Die Novemberrevolution hätte beinahe zu einer deutschen Räterepublik geführt, Bayern war besonders anfällig. Soziale Demokraten lösten die Kaiserherrschaft ab. Deutschland trat aus der Kriegsfront gegen Russland aus. In Rapallo wurden 1922 einvernehmliche Verträge zwischen beiden Ländern zu gegenseitigem Nutzen ausgehandelt.

Dieser Geist von Rapallo, die Idee einer friedlichen Zusammenarbeit mit Sowjetrussland, musste aus der Sicht des international agierenden Imperialismus, der die Welt beherrschen wollte, ausgetreten werden. Der Sozialismus war ein zu vernichtender, wo immer er das Haupt erhob. Russland und seine unermesslichen Schätze wollte man an sich und das alternative Gesellschaftsmodell niederreißen.

Deutschland war und bleibt ein Schlüsselfaktor

Deutschland war dabei ein strategischer Schlüsselfaktor. Weil die Massen dem Sozialismus hier besonders zugetan waren, griff man zu einem grandiosen Täuschungsmanöver. Man7 zog einen arbeitslosen Lumpen aus einem Obdachlosenheim, einen ehemals Kriegsblinden, einen Wehrmachtsspion, einen der die große Gosche gegen Juden führte, heran und machte ihn zum 'nationalsozialistischen Führer' der Deutschen. Man staffierte ihn und seine Krypto-Arbeiterpartei mit großzügigen Mitteln aus, gab ihm Uniform und Leibgarde und unterrichtete ihn in Tischsitten.
Mittels brutaler Gewalt und mithilfe eines raffinierten Propaganda-Apparates hievte man ihn schließlich im Januar 1933 an die Macht. Dem „jüdischen Bolschewismus“ sollte mit seiner Hilfe endgültig Garaus gemacht werden. Der Krieg gegen das Sowjetland, in dem viele jüdische Bolschewiki in führenden Stellungen tätig waren, war nur eine Frage der Zeit, darin waren die Hintermänner sich einig.

Da aber die soziale Idee, die mit dem deutschstämmigen Juden Karl Marx konkret geworden war, weltweit eine Massenbewegung ausgelöst hatte und auch in den Vereinigten Staaten stark, mussten auch ihre Vernichter weltweit agieren. 8 Der Faschismus – inszeniert zur Zerstörung jeglicher sozialer Idee - war weder eine deutsche Erfindung noch ein rein deutsches Phänomen. Ihn und seine Handlanger gab und gibt es im übrigen nach wie vor weltweit.9 Faschismus bedeutet aber nicht nur Rassismus, sondern auch Krieg. Faschismus bedeutet Krieg gegen die arbeitende Bevölkerung im Inneren und Eroberungs- und Vernichtungskrieg nach außen. Kriege bedürfen zu ihrer Legitimation der Feindbilder. Fremdrassige Völker eigenen sich dafür besonders. Der Krieg gegen den jüdischen und russischen (!) Untermenschen, gegen die Ostvölker wurde von langer Hand propagandistisch vorbereitet. In Hitlerdeutschland boomte die Rüstungsindustrie. Hitlerdeutschland war unter den Westalliierten kein Paria-Staat mehr. Kommunisten, Sozial- und andere Demokraten hatte man in Lagern entsorgt.

Offener Angriff auf Sowjetrussland scheitert, aber die Faschisten geben nicht auf

Der Angriff auf Russland erfolgte 1941. Dank des um- und weitsichtigen sowjetischen Führungspersonals und mithilfe des Molotow-Ribbentrop Abkommens10 hatte man ihn um zwei Jahre verzögern können. Der schließliche Sieg des überlegenen Gesellschaftssystem forderte einen hohen Preis: 27 Millionen Todesopfer in Sowjetrussland11 und eine verwüstete Infrastruktur.

Die Anti-Hitlerkoalition findet mit Präsident Roosevelts verfrühtem Tod im April 1945 ein jähes Ende. Trotz des noch scheinbar einvernehmlich verabschiedeten Potsdamer Abkommens kappen die Amerikaner den Sowjets die Kredite. Churchill tat kund „man habe das falsche Schwein geschlachtet“. Zwei Atombombenabwürfe signalisieren den Russen noch im August von Potsdam aus die Zeichen der 'Neuen Zeit'. Der abgehalfterte britische Premier begab sich nach seiner Züricher Rede 1946 in die USA zu Harry Truman und bereitete dort mit dem neuen US-amerikanischen Präsidenten die Einläutung des Kalten Krieges in Fulton/Missouri vor. Die aus dem Faschismus bekannte „Kommunisten“hatz wurde im Frühjahr 1947 (wieder) eröffnet. Flüchtige, deutsche Demokraten, die unter Roosevelt Asyl im Lande der unbegrenzten Möglichkeiten gefunden hatten, Persönlichkeiten vom Range Charlie Chaplins, Bert Brechts, Thomas Manns verließen die 'Neue Welt' in Richtung Europa.

Der Kalte Krieg wird heiß

Ein heißer, mörderischer Stellvertreterkrieg zwischen Kapitalismus und Kommunismus wurde 1950 in Korea ausgetragen. Die Kommunisten hatten unter Mao das chinesische Festland befreit, die Amerikaner sich anstelle der Japaner im Süden Koreas festgesetzt. Da sie den Norden nicht erobern konnten, suchten sie ihn mit aller Gewalt zu zerstören – kurz vor dem Einsatz nuklearer Waffen machten sie 1953 halt. Die Russen waren inzwischen auch im Besitz solcher Vernichtungsmittel.

Das Jahr 1953 brachte das Ende des Koreakrieges und ließ Millionen Tote zurück. Bis heute verweigern die USA den Koreanern einen Friedensvertrag, wie sie ihn auch den Deutschen bis heute verweigert haben. Im Juni brachen vom RIAS Berlin angeheizte Arbeiterunruhen im Osten Berlins aus. Sowjetische Panzer rollten. Anfang März 1953 war Stalin verstorben. Der einstige „Sozialrevolutionär“, der Trotzkist12 und Ukrainer Chruschtschow hatte in Moskau das Ruder übernommen. Seine Mimikry war offenbar perfekt gewesen, denn er hatte sich als eifriger „Trotzkistenjäger“ hervorgetan und dafür gesorgt, dass viele Unschuldige Opfer von übergriffigen Säuberungsaktionen wurden.13 Opfer, die von ihm später bewusst wahrheitswidrig Stalin und seinen Leuten in die Schuhe geschoben wurden.

Die traurige Rolle Nikita Chruschtschow – der Anfang vom Ende

Die von Nikita Chruschtschow als Partei- und Regierungschef getroffenen Entscheidungen stellten im Sowjetland die Weichen um. Die langjährige, opferreiche Aufbauarbeit wurde zurückgerollt, das Erfolgsmodell ab jetzt von innen heraus entschieden demontiert. Vorläufiger Höhe- und Weltwendepunkt war Chruschtschows 'geheimes' Anklagepamphlet auf dem XX. Parteitag der KPdSU 1956 gegen die angebliche Unfähigkeit und das Verbrechertum Stalins.14 Neu an diesem zuerst von der New York Times veröffentlichten Dossier, das in der UdSSR zunächst nicht erscheinen durfte, war lediglich, dass die alten niederträchtigen Verleumdungen gegen die sowjetische Führung jetzt von innen heraus in die Welt geschleudert wurden. Chruschtschows Widersacher aber, treue Anhänger des stalinschen Erfolgskurses im In-und Ausland wurden in rascher Folge beseitigt.15

Die weltweite Hexenjagd auf 'Kommunisten' schien jetzt substantiell und menschenrechtlich fundiert. Kaum einer noch durchschaute das teuflische Spiel einer allmählichen Metamorphose des Arbeiter- und Bauernstaates. Auch die nachfolgend schleichende Transformation fast aller kommunistischen Parteien weltweit blieb unbegriffen.16 Zwar wurde Chruschtschow 1964 abgelöst, aber das war zu spät. Der Zersetzungsprozess war in seinem ganzen Ausmaß nicht erfasst worden und konnte daher nicht mehr aufgehalten werden. Die Kossygin, Breschnew, Andropow und Tschernenko waren alt und oder krank, keine Politiker von Format, die den Verfallsprozess hätten aufhalten können. Als Gorbatschow 1985 kam, jung und dynamisch, da erschien er vor aller Welt als Hoffnungsträger. In Wirklichkeit trieb er das vom Imperialismus vorausgeplante Werk der Demontage des Sowjetstaates weiter voran. Jelzin betrieb dann den Ausverkauf der Restbestände, ließ im Oktober 1993 Panzer rollen und das Parlament beschießen17. Am 31. Januar 1999 ist der Mann am Ende und in einem Anflug von möglichem Klarsinn übergibt er das Szepter an einen bis dato völlig Unbekannten, an seinen Ministerpräsidenten Vladimir Putin.

Nationale Neubesinnung unter Putin

Mit Putins Wahlbestätigung im März 2000 beginnt die Konsolidierung Russlands.18 Der neue russische Präsident bezeichnete den Zusammenbruch der Sowjetunion als größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts. Aber der Antidemokrat und Liquidator Jelzin wird vom Westen als Revolutionär19 bejubelt, während man seinen Nachfolger Putin bald dämonisieren wird. Der Sozialismus in Russland ist Geschichte, aber es beginnt im Rahmen der BRICS Staatengruppe eine neue Ära der Zusammenarbeit mit dem befreundeten China, das unter kommunistischer Führung rasante wirtschaftliche Erfolge feiert.

Friedenspolitische Kernaufgabe: Neuerlichen kriegerischen Aufmarsch an der Ostfront stoppen

Obwohl Russland gegenüber dem Sowjetreich um ein erhebliches geschrumpft ist, obwohl es um sein Ursprungsland, die Ukraine gebracht wurde, obwohl es kapitalistisch geworden ist, so sind die Begehrlichkeiten des dekadenten Imperialismus ihm gegenüber nicht geringer geworden. Russland und China gelten laut neuester US-Geostrategie als wichtigste Feinde*. Konkurrenz muss niedergemacht werden, Rohstoffe und Märkte in den Besitz gebracht werden. Diesem Zweck dient die militärpolitische Umzingelung, ihm dienen die annähernd 1000 US-amerikanischen Militärstützpunkte weltweit. Diesem Zweck dient ein Militärhaushalt, der so groß ist, wie jener der acht nachfolgenden Staaten zusammen genommen und mehr als 10mal gößer als derjenige Russlands.

Nein zum Feindbild Russland, zu Sanktionen und Kriegsvorbereitung

Russland und vor allem seine besonnene Führung, verkörpert in der Person des Präsidenten Vladimir Putin, werden im NATO-Westen in altbekannter Manier verunglimpft, beleidigt, jeglicher Würde beraubt. Das kapitalistische Russland wird wie ehedem die sozialistische Sowjetrepublik jeder denkbaren Unrechtshandlung beschuldigt und zwar ohne die Spur eines Beweises dafür zu liefern. Das propagandistische Dauerfeuer, so hofft man, wird schon Wirkung zeigen und die öffentliche Meinung sturmreif manipulieren. Was der US-amerikanische und NATO beherrschte 'Tiefe Staat' will und wozu er seine ihm tributpflichtigen Vasallen20 nötigt, ist ein offener Krieg gegen Russland. Deshalb der Treuebruch gegenüber Gorbatschow, dem man versichert hatte, die NATO werde nach Abzug der Warschauer Pakt Truppen nicht nach Osten ausgedehnt. Dazu dienen die uns aufgezwungenen Wirtschaftssanktionen. Dem Angriffsziel Russland ist der Aufmarsch von schwerbewaffneten NATO-Verbänden vom Baltikum bis zum Schwarzen Meer gewidmet. Der Rest ist Propaganda. Die durch den quasi faschistischen, US-gesteuerten Putsch in Kiew künstlich provozierte Krimkrise dient nur als Vorwand mit dem die geplante Aggression bemäntelt werden soll. In Anbetracht der Atomwaffen über die Russland verfügt, die es im Falle von Übergriffen auf sein Territorium angekündigter Maßen auch einzusetzen gedenkt, eine für uns tödliche, selbstmörderische Strategie.

Warum kein Antikriegsaufruf, warum kein Aufschrei von Links?

Das Ausbleiben öffentlicher Massenproteste gegen ein solch wahnsinniges Vorhaben ist vor dem Hintergrund der Erfahrung zweier Weltkriege und der Niederlage einer bis an die Zähne gerüsteten Deutschen Wehrmacht gegen Sowjetrussland nur auf Grund von Unkenntnis und Desinformation nachzuvollziehen. Von herausragender, niederschmetternder Bedeutung bleibt aber für das Verständnis der desolaten Situation das Versagen des gesamten linken Spektrums von linksliberal, Grün über die Partei Die Linke bis hin zu den großen Gewerkschaften und kommunistischen Splittergruppen. Man hat dort den Ernst der Lage ganz offenbar nicht begriffen. Der gezielt gesteuerte Niedergang des Sozialismus hat vor der kommunistisch-sozialistischen Weltbewegung nicht halt gemacht. Selbst demokratische Volks- und Bürgerbewegungen wurden absichtsvoll mit in den Schlund gezogen. Der Faschismus trägt heute im Westen allerdings Filzlatschen. Sämtliche Ansätze sozialer Zusammenschlüsse21 wurden systematisch infiltriert, Führungspersonal korrumpiert und vor allem das theoretische Instrumentarium zur wirklichkeitsgerechten Analyse geopolitischer Vorgänge aus der Hand geschlagen. Freund und Feind können nicht mehr angemessen geortet werden, werden als austauschbar oder gleichrangig gehandelt. Die Bedeutung der UN-Charta, die Bedeutung nationaler Grenzen und Rechte, der Ansprüche auf staatliche Souveränität, ja auf Staatsbürgerrechte wurden als mehr oder weniger obsolet oder gar rechtslastig ad acta gelegt. Damit ist die Linke in all ihren Schattierungen als massenmobilisierende Kraft - in Deutschland und Europa spätestens seit der sogenannten Wiedervereinigung – zahnlos geworden, beschäftigt mit Nebenfragen. Das Volk selbst wurde zu einer Manövriermasse für konterrevolutionäre, gegen die eigenen Interessen gerichteten Belange.

Die Neue Rechte ist nicht der Feind

Statt zu mobilisieren gegen den Kriegsaufmarsch, mobilisiert man gegen einen vermeintlichen Gegner von Rechts. Völlig verkannt wird dabei, dass nicht die Neue Rechte von Trump bis AFD den neuen Faschismus verkörpern, sondern dass dieser längst an den Hebeln der Macht sitzt und häufig genug ein weibliches Gesicht trägt. Die Neue Rechte, das sind Abweichler aus dem Lager der Bourgeoisie, sie sind dem Tiefen Staat und dem gesamten Militärisch-Industriellen Komplex ein Dorn im Auge. Ihre Interessen zielen zwar auf Profit, sie sind durch und durch kapitalistisch, aber sie sind nicht kriegerischer Natur, vielmehr stört der Kriegsaufmarsch ihre Geschäfte. Alle neurechten Bewegungen wollen gute Beziehungen mit Russland, sind gegen die Sanktionspolitik, wollen nationale Souveränitätsrechte gesichert wissen und sichere Grenzen. Sie sind durchweg an der Initiative Neuen Seidenstraße, die von China ausgeht, interessiert und wollen sich am absehbaren Riesengeschäft beteiligen, nicht es zerbomben. Leider, vielleicht aus nachvollziehbaren Gründen, stellen sie diese wichtigen Aspekte ihres Abweichlertums nicht in den Vordergrund, sondern punkten mit vermeintlicher Fremdenfeindlichkeit oder gar Rassismus und vor allem mit Antikommunismus. Das ist so, weil sie zwar gegen den importierten Islamo-Terror sind, aber genau wie die Linke, nicht begriffen haben, dass dieser neue Faschismusimport unter falscher Flagge segelt, genau wie der alte.

Ob Braun oder Schwarz, der Feind ist und bleibt der Faschismus

Die Nazis waren keine Sozialisten, ja nicht einmal Nationalisten. Die Islamisten aller Couleur sind keine Muslime, keine Anhänger oder gar Kenner des Islam, sie sind Faschisten, die nachweislich von den gleichen Kräften hochgezogen wurden und finanziert werden wie einst Adolf Hitler und seine Schlägertrupps. Die Unkenntnis in Sachen Islam, der nach dem verloren gegangenen Feindbild Rot lange als praktischer Ersatzfeind herhalten musste, rächt sich sträflich. Nicht der Islam, eine Religion des Friedens, nicht das Judentum, eine Religion der Gerechtigkeit, nicht die Religion überhaupt ist der Feind, auch nicht der Sozialismus, sondern der Faschismus, der alle Menschheitsideale pervertiert und instrumentalisiert. Dieser aber ist Ausdruck und Resultat der „am meisten reaktionären, chauvinistischen und imperialistischen Elemente des Finanzkapitals“ wie es der Kommunist Dimitrov schon 1935 treffend auf den Begriff brachte. Diese auch damals zu späte Einsicht fehlt aber heute gänzlich und zwar auf der rechten wie auf der linken Seite. Aus diesem Faschismusbegriff ergeben sich nämlich handlungspraktische Konsequenzen. Alle Menschen aus allen Lagern, die guten Willens sind und die gegen den neuerlichen Kriegsaufmarsch gegen Russland sich zu engagieren bereit sind, müssen ungeachtet sonstiger Differenzen zusammenwirken. Es gilt gegen das Feindbild Russland aufzustehen, wie ein Matthias Platzeck und eine Gabriele Krone-Schmalz dies tun22 . Es gilt aufzustehen gegen eine hetzerische Feindbildpropaganda, die leider vom linken Spektrum gegen einen Anti-Establishment-Präsidenten und potenziellen Verständigungspolitiker wie Donald Trump betrieben wird, ganz wie damals 1922 gegen Walter Rathenau, dem der Rapallo-Vertrag zu verdanken war, also Verständigungspolitik mit Sowjetrussland auf Augenhöhe.

Die Situation heute ist nicht weniger bedenklich. Die jahrelange Hetze gegen einen friedenspolitisch engagierten und äußerst erfolgreichen Journalisten wie Ken Jebsen etwa wird von links aus betrieben, nicht von rechts – das müsste doch allen am Friedenserhalt interessierten Menschen auf der „Linken“ ein Nachdenken mehr wert sein. Gut, dass es dort Menschen auch wie Andreas Wehr, Dieter Dehm, Wolfgang Gehrke23 gibt, aber diese spielen leider in ihren Kreisen eine marginalisierte Rolle und sind nicht die Tonsetzer. Natürlich gibt es auch die sozialdemokratisch inspirierten „Nachdenkseiten“ von Albrecht Müller. Aber das ist zu wenig noch. Auf dem rechten Spektrum gibt es den großartigen Willy Wimmer, der von den LINKEN mehr oder weniger ignoriert wird. Dieser CDU-Mann scheint der einzige zu sein, der vollumfänglich verstanden hat, was die Stunde geschlagen hat.

Es wäre eine große Aufgabe im Jahr 2018 das Feindbild „Neurechts“ genauso wie das Feindbild Russland abzustreifen und sich dem Studium ihrer jeweiligen wahren Natur zu widmen.
Auch die nach wie vor unhinterfragt akzeptierte Gleichung Stalin gleich Hitler bedarf dringend einer auf Recherchearbeit basierenden Korrektur. Solange diese Gleichung bestehen bleibt, liegt ein mächtiger Bremsklotz auf dem Wege zu menschheitlichem Fortschritt.

Allerdings zeigt wiederum das Beispiel Russland, dass Fortschritt möglich ist, trotz unbegriffener Historie und trotz gravierender Interessen- und Meinungsdifferenzen, wo ein guter Wille herrscht und das gemeinsame Interesse an der friedlichen Bewahrung des Bestehenden im Vordergrund steht. Russland und das von der jungen Margarita Simonyan geleitete Russia Today (RT) Team führt uns mit großem kreativen journalistischen Können und mit Humor sowohl Meinungsvielfalt als auch die hohe Kunst diplomatischer Zusammenarbeit vor.

Möge uns das völkerübergreifende Zusammenwirken der großen friedliebenden Nationen Russische Föderation, Volksrepublik China und Islamische Republik Iran auch im Jahr 1918 einen großen Krieg ersparen helfen. Mögen diese Nationen uns als Vorbild für weit ausgreifende Zusammenarbeit im Kleinen dienen. Nur wenn uns das gelingt, werden unsere Kinder und Kindeskinder die Früchte des epochalen Wechsels noch ernten können, der mit dem Roten Oktober eingeläutet wurde und dessen Geburtswehen andauern.

Vor uns die Mühen der Ebenen.24
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1Michael Sayers and Albert E. Kahn, The Great Conspiracy against Russia, Erstveröffentlichung im Februar 1946 , Bony and Gaer Inc. Publishers, 15th East 40th Street New York 16, N.Y. („an extraordinary book“ meinte Joseph Davies, former Ambassador to the Soviet Union) Die beiden in der Roosevelt Ära hochangesehenen Investigativjournalisten und ihre antifaschistischen, dem Frieden zwischen den Völkern gewidmeten Arbeiten verschwanden während der McCarthy Hexenjagd und wurden weltweit auf den Index gesetzt. ( S. 7 unten Spalte 1)
2Lenin lebte zwar noch 6 Jahre, war aber ein durch die schweren Verletzungen gezeichneter, kranker Mann.
3Fanya Kaplan war geständig, wurde verurteilt und hingerichtet, aber die Hintermänner blieben im Dunkeln. Immerhin war es erklärtes Ziel der gar nicht fortschrittlichen „Sozialrevolutionäre“ Terror in die Reihen der Bolsheviki zu tragen. Sayers/Kahn a.a. S. 14 1. Spalte oben. Eindeutige Spuren verweisen laut Sayers/Kahn a.a.O. S. 16, Spalte 2 unten auf den britischen Geheimdienst.
4Siehe dazu ausführlich Sayers/Kahn a.a.O.
5Yvan Vanden Berghe, Der Kalte Krieg 1917-1991, Leipziger Universitätsverlag 2002 S. 32
6 Um nur einige zu nennen: Henri Barbusse, Stalin – eine neue Welt, Paris 1937 (Original franz. 1935 , übersetzt von Alfred Kurella), Ella Maillart, Parmi la Jeunesse Russe de Moscou au Caucase, dt. 1993 als Heine Taschenbuch unter dem Titel Ausser Kurs: Die Reise einer mutigen Frau in die unendlichen Weiten Russlands, E. Maillart war Schweizerin, eine der großen Reiseschriftstellerinnen des 20. Jahrhunders, Hewlett Johnson, Bischoff von Canterbury, Act Now – an Appeal to the Mind and Heart of Britain, London 1939 (derselbe "The Socialist Sixth of the World", London 1939, dt.„Ein Sechstel der Erde“) Dr. A. Voegeli, Sowjetrussland, Städte,Steppen, Berge und Menschen – Reisetagebuch eines Unabhängigen, 3. Auflage Bern 1944, Lion Feuchtwanger, Moskau 1937 – Ein Reisebericht für meine Freunde, Berlin 2000 vom Aufbau Verlag als Taschenbuch wieder aufgelegt, allerdings mit einem verleumderischen Begleitwort. Eine negative Ausnahme in der zeitgenössischen Reiseliteratur bildete Andre Gides „Retour de l'U.R.S.S.R“ 1936
7„Man“ - das war das international gut vernetzte Finanzkapital, das war Thyssen und co (Fritz Thyssen, „I paid Hitler“ 1941), die Deutsche Bank, die Hugenbergpresse und vor allem damals schon die US-amerikanische Mafia des finanzkapitalistischen Komplexes, die durch den Weltkrieg maßlos erstarkt war.
8Siehe dazu u.a. Sayers/Kahn „Sabotage – The Plot Against America“ und „The Plot Against Peace“
9 Denn der Faschismus ist „ die terroristische Diktatur der am meisten reaktionären, chauvinistischen und imperialistischen Elemente des  Finanzkapitals“ Georgi Dimitroff (1935)
10 Deutsch-sowjetischer Nichtangriffspakt – Wikipedia, meist diffamierend als Hitler-Stalin Pakt zitiert.
11www.zeit.de › DIE ZEIT Archiv › Jahrgang 2007 › Ausgabe: 25 Zweiter Weltkrieg 27 Millionen - So viele Sowjetbürger starben als Opfer des deutschen Krieges zwischen 1941 und 1945. Es ist eine Zahl, die viele hierzulande bis heute nicht kennen. Oder nicht zur Kenntnis nehmen wollen.Zweiter Weltkrieg: 27 Millionen | ZEIT ONLINE - Die Zeit am 14.06.2007

12Kurt Gossweiler nennt Trotzki einen „Agenten der Bourgeoisie“ und Chruschtschow „eine Nachgeburt Trotzkis“ Taubenfußchronik Band I a.a.O. S. 348
13Näheres dazu bei Kurt Gossweiler und Grover Furr
14 Siehe dazu vor allem Grover Furr, Chruschtschows Lügen, dt. Berlin 2014 us-amerikanische Originalausgabe 2011
16Der Historiker und Faschismusforscher Kurt Gossweiler hat in seinem zweibändigen Polittagebuch von 1953 -1976 „Taubenfußchronik oder die Chruschtschowiade“ , München 2002 (Bd.I) und 2005 Bd II akribisch darüber Buch geführt, was sich vor alle Augen abspielte, was aber keiner zu begreifen schien. Kurt Gossweiler hat darüber hinaus bis ins hohe Alter viele einschlägige Aufsätze geschrieben und betrieb einen weltweiten Briefwechsel. Ich verdanke ihm persönlich zusätzliche wichtige Einblicke aus vielen Gesprächen über die letzten Jahre seines bewussten Lebens hin.
Die große Ausnahme bildete übrigens die Chinesische Partei, die eigene Wege ging. Mit China brach die UDSSR unter Chruschtschow abrupt und vertragswidrig die Bande.
17. https://derstandard.at › International › Europa › Russland  Das Parlament stemmte sich damals gegen schmerzhafte Wirtschaftsreformen von Kremlchef Jelzin. Im Herbst 1993 eskalierte die Situation in einer blutigen Machtprobe. Jelzin erklärte den Obersten Sowjet für aufgelöst ...
18 13.06.2017 - Vor zwölf Jahren hat Wladimir Putin den Zusammenbruch der Sowjetunion als „ größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts“  Nun erläutert der russische Präsident, warum er bei dieser Meinung bleibt.
https://de.sputniknews.com/.../20170613316141538-putin-sowjetunion-katastrophe/
19 https://www.welt.de › DIE WELT "Jelzin war ein Revolutionär, Putin ist ein Manager" Russland - WELT
* Siehe  hierzu die differenzierte, von der gängigen Betrachungsweise abweichende Analyse von Thierry Meyssan vom 30.12.2017 http://www.voltairenet.org/article199222.html
20Siehe dazu Zbigniew Brzenzinski, Die einzige Weltmacht – Amerikas Strategie der Vorherrschaft, FfM 1999,
21Man denke etwa an die international erfolgsversprechende attac!
22So geschehen auf einer gut besuchten Veranstaltung am 25. November im Schloß Neuhardenberg unter dem Thema Russland und Europa. Dies wurde aber ebenso beschwiegen wie das neu Buch von Krone-Schmalz „Eiszeit“, erschienen bei H.C.Beck siehe dazu auch Zeit-FragenPostfach CH-8044 Zürich Tel. +41 44-350 65 50
Fax +41 44-350 65 51
23Wolfgang Gehrke/Christiane Reimann Deutschland und Russland wie weiter? Der Weg aus der deutsch-russischen Krise, Verlag Berolina, Berlin 2017 - eine lesenwertes, wichtiges Buch, wenngleich es sehr spät kommt. Es bedarf der Zurkenntnisnahme.


24 Brecht hat von den Mühen der Ebene gesprochen und meinte  die Aufgaben, die vor der Arbeiterbewegung nach dem Sturz des Faschismus standen. Er meinte den Aufbau einer neuen Gesellschaftsordnung, welche dieLehren aus der Geschichte ziehen sollte.

Tuesday, December 26, 2017

Interview mit Professor Reinhard Merkel: Die Krim und das Völkerrecht

Interview mit Professor Reinhard Merkel: Die Krim und das Völkerrecht

Interview mit Professor Reinhard Merkel: Die Krim und das Völkerrecht
Ist Russland ein Aggressor, der fremde Gebiete erobert und annektiert? Über die sogenannte Annexion der Krim und deren völkerrechtlichen Hintergründe spricht der emeritierte Professor für Strafrecht und Rechtsphilosophie Reinhard Merkel.
Der Rechtsphilosoph Professor Reinhard Merkel erlangte breitere Bekanntheit, als er mit einem Beitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung aus dem Kanon derer ausscherte, die Russland vorwerfen, die Krim annektiert zu haben. Am 8. April 2014 schrieb Merkel in der FAZ:  
Hat Russland die Krim annektiert? Nein. Waren das Referendum auf der Krim und deren Abspaltung von der Ukraine völkerrechtswidrig? Nein. Waren sie also rechtens? Nein; sie verstießen gegen die ukrainische Verfassung (aber das ist keine Frage des Völkerrechts). Hätte aber Russland wegen dieser Verfassungswidrigkeit den Beitritt der Krim nicht ablehnen müssen? Nein; die ukrainische Verfassung bindet Russland nicht. War dessen Handeln also völkerrechtsgemäß? Nein; jedenfalls seine militärische Präsenz auf der Krim außerhalb seiner Pachtgebiete dort war völkerrechtswidrig. Folgt daraus nicht, dass die von dieser Militärpräsenz erst möglich gemachte Abspaltung der Krim null und nichtig war und somit deren nachfolgender Beitritt zu Russland doch nichts anderes als eine maskierte Annexion? Nein.
Vielen gilt seine Position inzwischen als widerlegt. Doch ist sie es? Rubikon hat nachgefragt.
Herr Merkel, Politiker und Medien in Deutschland meinen bis heute auf der Krim habe eine Annexion stattgefunden. Was sagen Sie?
Ich war nach meiner Wahrnehmung in den für salonfähig gehaltenen Medien hier der einzige, der gesagt hat, lasst mal die Kirche im Dorf mit der Krim. Eine Annexion war das nicht. In welcher Hinsicht das völkerrechtswidrig war, lässt sich genau angeben. Aber verglichen mit einer manifesten Gewaltanwendung etwa der USA im Irak 2003, die völkerrechtswidrig war, ist das mit der Krim eine federleichte Bagatelle. Und hier hat man sich aufgeregt, so als ob die Russen mit dem dritten Weltkrieg spielen. Und das hat mich sehr geärgert.
Ich habe nach meinem Artikel, den ich 2014 in der FAZ veröffentlich habe, mit renommierten Völkerrechtlern, wenn auch beiläufig nach meinem Artikel in der FAZ über die Dinge geredet und gestritten, etwa mit der Direktorin des Max-Plank-Instituts für Völkerrecht in Heidelberg, Frau Anne Peters, die eine kluge Frau ist. Das war in Berlin anlässlich eines Fellow-Treffens am Wissenschaftskolleg. Sie hat sich hingestellt und gesagt, was man von den offiziellen Völkerrechtlern erwartet: ‚Das mit der Krim ist skandalös! Eine Annexion!‘
Ich habe dann beiläufig zu ihr gesagt: ‚Sie glauben mit Unrecht, dass die Frage der Annexion eine Frage des Völkerrechts ist. Es gibt kein völkerrechtliches Dokument, das den Begriff der Annexion definiert.‘
Aber in ihrem Artikel in der FAZ haben Sie geschrieben, Annexion sei die gewaltsame Landnahme durch einen fremden Staat.
Es gibt natürlich einen Konsens, gewaltsame Landnahme durch einen fremden Staat. Aber dann haben Sie die Hintergrund-Phänomene, die hier eine Rolle gespielt haben, nämlich dass, wie immer man das Abstimmungsverfahren auf der Krim einschätzen will, es eigentlich zweifelsfrei war, dass eine deutliche Mehrheit der Krim-Bewohner zu Russland gewollt hat.
Bildquelle: US Air Force
Es ist ja nach wie vor so, dass die lieber bei Russland als bei der Ukraine sind. Und ich habe als zusätzliches Kriterium, und das mache ich dann als Rechtstheoretiker und nicht als jemand, der sagt, da gibt es doch die Texte und die Dokumente und die völkerrechtlichen Konventionen, die gibt es eben dazu nicht.
Ich habe als zusätzliches Kriterium eingeführt, dass Annexion nur dann ein sinnvoller Begriff ist, wenn er nicht nur gegen den Willen der Regierung einer bestimmten Gegend, sondern auch gegen den Willen der Bevölkerung geht. Also, was Saddam Hussein mit Kuwait gemacht hat. Das war eine klare Annexion.
Oder was die Israelis leider schleichend und dauernd machen, diese Landnahme dort. Leider sage ich dazu. Ich habe jede Menge gute Kontakte nach Israel und eine positive emotionale Beziehung zu der vitalen Zivilgesellschaft und zur intellektuellen Szene dort. Das ist intellektuell ein viel lebendigeres Land als die arabischen Staaten außen herum. Aber was die da machen, das sind Annexions-Handlungen. Aber das hören sie in Deutschland nicht.
Wer setzt die Regeln des Völkerrechts fest?
Seit Kant und schon davor wird das Völkerrecht von der Frage begleitet, ist es Recht oder Politik? Und die Trennlinie zwischen Recht und Politik ist im Völkerrecht viel unklarer und verwaschener als im innerstaatlichen Recht. Nach dem Einmarsch der Amerikaner in den Irak 2003 haben amerikanische Völkerrechtler, renommierte und kluge Leute, sich hingestellt und gesagt, wir sind der mächtigste Staat der Welt. Militärisch und ökonomisch. Unser Gewicht liegt mindestens bei 50 Prozent der ganzen Staatengemeinschaft. Wenn wir was tun, dann ist das so, als ob mehr als die Hälfte der Staatengemeinschaft das tun würde.
Sie argumentierten mit dem Völker-Gewohnheitsrecht in dem Sinne, wenn wir einen Krieg führen, der vorher eindeutig rechtswidrig war, wird er durch sein Durchführen selber rechtmäßig. Tatsächlich ist eine der wichtigsten Rechtsquellen des Völkerrechts das Völkergewohnheitsrecht. Es entsteht aus der Praxis der Staaten. Die Staaten sind die Gesetzgeber. Über ihnen gibt es keinen Gesetzgeber im Völkerrecht.
Die UNO ist nicht der Weltherrscher. Der UN-Sicherheitsrat selbstverständlich auch nicht. Die Staaten selber setzen das Recht und eben das Völker-Gewohnheitsrecht durch ihre Art der Interaktion.
Und was sagen sie zu der Behauptung dieser amerikanischen Völkerrechtler?
Das ist absurd, so was zu sagen: Ein Angriff, der eigentlich nach allen Kriterien verboten ist, beschafft sich dadurch, dass er exekutiert wird, seine eigene Erlaubnis. Das ist absurd. Da sehen Sie, dass die alte Frage, it is law ore politics, nicht wirklich erledigt ist. Wiewohl ich zu denen gehöre, die sagen, wir müssen das Völkerrecht ernster nehmen, als es oft gemacht wird.
Tatsächlich ist es so, dass im Völkerrecht die Rechtsbrüche zum Motor der Entwicklung neuer rechtlicher Normen werden. Der größte Teil des Völkerrechts ist aus ursprünglichen Rechtsbrüchen entstanden.
Das Völkerrecht hat die Rechtsbrüche im Nachhinein legitimiert?
Da schließen sich dann Staaten an und sagen, gut, das sehen wir auch so, und schon wird es nach und nach Gewohnheitsrecht. Das Völkerrecht entsteht langsam. Deshalb gibt es im Völkerrecht einen Begriff, den es in der sonstigen Rechtsordnung nicht gibt, ‚soft law‘.
Der ehemalige Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag sieht sich mit schweren Vorwürfen konfrontiert.
Das heißt?
‚Soft law‘ heißt, wir wissen nicht genau, ist das schon Recht oder entsteht es erst? Das betrifft vor allem die sogenannte humanitäre Intervention. Also solche Dinge wie sie im Kosovo geschehen sind, im Jahre 1999 ohne die Autorisierung des UN-Sicherheitsrates. Aber ich behaupte, auch die Intervention in Libyen mit der Autorisierung durch den UN-Sicherheitsrat war nicht legitimierbar.
Man sieht, dass solche Dinge oft unklar sind und lange bleiben. Und dass es erst zu einer Konsolidierung der Rechtsüberzeugungen der Staaten kommen muss, die dann meistens auch geäußert wird, zum Beispiel in der UNO-Generalversammlung. Dann beginnt es, zum Recht zu werden.
Wer ist der Gesetzgeber im Völkerrecht?
Es gibt keinen Gesetzgeber im Völkerrecht. Es sind nur die Staaten selber, und die sind zugleich die Rechtsunterworfenen. Das ist eine ganz singuläre Situation. Nun ist das theoretisch auch im innerstaatlichen Recht so. Wir, Sie und ich sind hier Rechtsunterworfene, sind aber Teil des Souveräns über unsere gewählten Abgeordneten. Aber im Völkerrecht ist das unmittelbar so. Bis hin zu der glatten Unverschämtheit, zu sagen, wir sind der mächtigste Staat der Welt, was wir machen, ist immer Recht. Das ist absurd. Die Amerikaner hatten eine Weile diese Attitüde.
Eine Weile?
Ja, bei George W. Bush diese völlig irre Idee der Neocons, zu sagen, jetzt führen wir ein halbes Dutzend Kriege, dann ist die Welt befriedet. Und alle sind froh, dass sie McDonalds und Coca Cola kriegen. Absurd.
2014 sprachen viele Politiker in Deutschland von einer sehr gefährlichen Situation. Das erste Mal seit 1945 seien Grenzen in Europa gewaltsam verändert worden. Was ist Ihre Meinung?
In einem formellen Sinn sind die Grenzen damals verändert worden, insofern als die Krim aus der Ukraine sozusagen entfernt und zu Russland gezogen wurde. Das ist eine Art Grenzveränderung. Aber die Formulierung von der ersten gewaltsamen Grenzveränderung seit 1945, die ja 2014 gang und gäbe war, hat eine Suggestion gehabt, die weit über das Ziel hinausgeschossen ist.
Der erste übertriebene Tonfall ist ‚gewaltsam‘. Bei der sogenannten Krim-Annexion ist niemand ums Leben gekommen. Die Russen haben genötigt, gedroht mit dem Aufmarsch ihres Militärs vor den Kasernen der ukrainischen Soldaten. Aber die Drohgebärde war die eines turmhoch Überlegenen, der genau wusste, ich muss die Gebärde machen, dann gehorchen die. Es wird nicht zur Gewalt kommen. Und wenn an einzelnen Stellen, dann haben wir das schnell im Griff. Im Völkerrecht gibt es aber den Artikel 2 Absatz 4 der UNO-Charta, der verbietet die Gewaltanwendung zwischen Staaten, ausgenommen die durch den UN-Sicherheitsrat legitimierte Gewalt und die Selbstverteidigung nach einem Angriff auf einen Staat.
Die Völkerrechtler haben sich angewöhnt, dass unter den Kurztitel Gewalt zu ziehen. Also hat man gesagt, die Russen haben auf der Krim Gewalt angedroht, wenn nicht gehorcht wird. Die haben nicht einfach gesagt, gleich geht’s los, sondern kusch, ihr haltet euch ruhig. Das ist eine Nötigungsdrohung. Das hat man dann unter den Begriff Gewalt gezogen. Die Bevölkerung, die das in allen Zeitungen gelesen hat, nimmt den Eindruck mit, hier hat Jemand eine Art Krieg geführt. Und das ist falsch.
Könnte man nicht sagen, dass die Anwesenheit von russischem Militär außerhalb der Pachtgebiete auf der Krim der Bevölkerung der Halbinsel signalisierte: Wir haben die Hoheit über die Halbinsel schon übernommen und die Abstimmung ist nur noch eine reine Formsache?
So könnte man argumentieren. Aber dann müsste man konkreter zweierlei zeigen: Erstens, dass der Aufmarsch des russischen Militärs auch an die Bevölkerung adressiert war. Und zweitens, dass es Gründe gab anzunehmen, dass ein großer Teil der Bevölkerung der Krim bei der Ukraine bleiben will. Selbstverständlich gibt es immer einen Teil einer solchen Bevölkerung, die dagegen ist, dass die Staatszugehörigkeit gewechselt wird. Aber das wusste man und das wurde auch nicht ernsthaft bestritten im Westen, dass eine deutliche Mehrheit der Krim-Bevölkerung zu Russland wollte, also nichts dagegen hatte. Beim Referendum haben über 90 Prozent dafür gestimmt.
Feierlichkeiten auf der Krim am 16. März 2017 zum dritten Jahrestag des Referendums über die Unabhängigkeit. Die Teilnehmer der Prozession tragen Nationaltrachten der auf der Krim lebenden Völker.
Ob die Auszählung sauber und korrekt war, da habe ich große Zweifel. Die ganze Abstimmung hatte nicht den Charakter einer ordentlichen und halbwegs formell legitimen Geschichte. Aber das Ergebnis der Abstimmung war schon vorher unstreitig. Jeder wusste das. Und die Krim-Bevölkerung hatte ja schon zweimal – 1991 und 1993 - deutlich zum Ausdruck gebracht, wir wollen zu Russland. Sie haben ja auch lange zu Russland gehört.
Es gibt im Völkerrecht also keinen Rechtsrahmen für Abspaltung?
Bei der Krim verzahnen sich ein externer Eingriff seitens Russlands, der hier Annexion genannt wurde und interne Abspaltungsneigungen der Bevölkerung, die man Sezession nennt. Wichtig ist bei all diesen Überlegungen: Es gibt im Völkerrecht weder zur Annexion noch zur Sezession deutliche Normen. Und das liegt ganz trivial daran, dass die Staaten als die Gesetzgeber des Völkerrechtes sowas nicht wollen. Die wollen auch nicht die Sezession regeln. Sehen Sie mal was in Katalonien jetzt passiert. Aber deswegen ist es auch nicht verboten. Es gibt im Völkerrecht - anders als im innerstaatlichen Recht - Gebiete, die sind nicht geregelt, weder erlaubt noch verboten.
Viele Medien und Politiker meinen, wenn man die Vereinigung der Krim mit Russland zulasse, dann riskiere man, dass demnächst Russen in den baltischen Staaten die Vereinigung mit Russland fordern.
Das ist ja nun ganz und gar abwegig. Die ganze Krim ist ja nun auch geographisch eine abgrenzbare Einheit. Die hat lange zu Russland gehört und eine über 300-Jährige russische Geschichte. Außerdem ist der Wechsel zur Ukraine ein innerstaatlicher Akt der Sowjetunion gewesen und ein autoritativer, eigentlich willkürlicher Akt von Chruschtschow, der nie materiell besonders legitimiert war. Es ist nur kein Thema gewesen, weil es ein innerstaatlicher Akt war. Es würde auch kein besonderes Thema sein, wenn man sagt, Ulm gehört jetzt nicht mehr zu Baden-Württemberg sondern zu Bayern.
Ihre Positionen unterscheiden sich sehr von der veröffentlichten Meinung in Deutschland. Wie kam das? Waren Sie auf der Krim?
Nein, aber ich habe mich mit diesem speziellen Punkt ein bisschen beschäftigt. Ich habe – nachdem mein Artikel in der FAZ erschienen war - mal kurz per E-Mail mit dem Juristen in der politischen Redaktion, Reinhard Müller, korrespondiert. Das ist ein kluger Kopf. Er hatte einen Kommentar geschrieben, wo von Annexion und dem Bruch des Völkerrechts die Rede war. Und er hat so getan, als ob die Russen genau das gemacht haben, was Saddam Hussein mit Kuweit gemacht hat. Da habe ich ihm geschrieben, Herr Müller, das haut doch hinten und vorne nicht hin.
Da kam bei mir dann der Satz, jeder weiß, dass die deutliche Mehrheit der Krim-Bewohner zu Russland wollte, niemand bestreitet das. Und alles was bei ihm an Replik kam, war, woher wissen sie das so genau? Meiner Meinung nach ist das nur eine Geste zu sagen, ganz sicher kann man empirisch gar nichts wissen. Und das stimmt sogar für die Naturwissenschaften. Es ist billig sich auf so eine Gegen-Frage zurückzuziehen.
Gab es auf der Krim die Gefahr eines Krieges?
Selbstverständlich hätte Kiew Militär eingesetzt. Die Russen haben das mit der nötigen Drohgebärde unterbunden. Hätten sie es zugelassen, dass da erstmal geschossen wird und wären dann da einmarschiert, dann wäre es zu einem militärischen Konflikt gekommen.
Also ich sage nicht, dass Russland da rechtmäßig gehandelt hat. In einem formellen Sinne hat Russland zweimal das Völkerrecht gebrochen. Russland hat auf einem Gebiet, das nicht zu Russland gehörte eine militärische Drohgebärde gemacht und es hat am nächsten Tag gesagt, ihr dürft zu uns kommen, wir erkennen das an. Das ist völkerrechtswidrig.
Aber angesichts des historischen Hintergrunds, wie die Krim zur Ukraine kam, angesichts der qualifizierten Mehrheit von Ukrainern, die zu Russland wollten und dann angesichts der politisch geschickteren Option zu sagen, wir vermeiden Blutvergießen, wenn wir von Anfang an sagen, ihr haltet euch ruhig, kann man nur sagen, es war zwar rechtswidrig aber eine Bagatelle.
Sogar die Bundeskanzlerin sagte, die Friedensordnung in Europa sei verletzt worden. Das sagte dieselbe Bundeskanzlerin, die 2003 den Einsatz der Amerikaner im Irak gutgeheißen hat. Dieser Einsatz hat bis heute eine halbe Millionen Menschleben gekostet und hat täglich noch immer fürchterliche Folgen.
Und dann kann man nur sagen, wer so mit gespaltener Zunge spricht, der muss sich einen deutlichen Widerspruch gefallen lassen. Russland hat völkerrechtswidrig gehandelt, aber das ist eine federleichte Angelegenheit gewesen, verglichen mit dem Irak.
Die Russen sagen, im Februar 2014 gab es in Kiew einen Staatsstreich. Aus der Sicht Russlands gab es dadurch ein Sicherheitsproblem. Denn in die Regierung zogen auch Faschisten ein, wie etwa der jetzige ukrainische Parlamentspräsident Andrej Parubi. Kann Russland die Umstände des Machtwechsels in Kiew als ein weiteres Argument für sein Handeln auf der Krim anführen?
Ja, das kommt dazu. Wenn man vernünftig hinguckt, ist dieser Machtwechsel illegitim gewesen, also so etwas wie ein illegitimer Staatsstreich gewesen. Und er hat Russlands Sicherheitsinteressen beeinträchtigt, da Russland damit rechnen musste, dass ihr Militärstützpunkt auf der Krim, den sie seit eh und je legitim dort haben, umzingelt und abgeschnitten wird. Natürlich spricht das zugunsten Russlands in dieser Angelegenheit.
Der ehemalige deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder sieht in Russland keine Gefahr, sondern einen Nachbarn.
Sehen Sie die Gefahr, dass der Zerfall der Ukraine weitergeht, dass sich die international nicht anerkannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk festigen und sich vielleicht sogar Charkow und Odessa irgendwann abspalten wollen?
Es ist eine Art Pulverfass, was da jetzt entstanden ist. Das bedroht die Stabilität- und Sicherheitsinteressen aller Staaten außen herum auch. Was dringend geboten wäre, wäre ein Blick auf die Prinzipien, die das Oberste Gericht von Kanada zu den Abspaltungsbestrebungen von Quebec formuliert hat. Der Supreme Court hat gesagt, Quebec hat kein Recht zur Abspaltung, aber was auf jeden Fall vermieden werden muss, ist ein Bürgerkrieg.
In solchen Krisensituationen darf nicht sofort Gewalt angewendet werden. Es müssen Vermittlungsversuche unternommen werden. Weiter hat das Oberste Gericht von Kanada gesagt, wenn es eine qualifizierte Mehrheit von 65 Prozent für eine Sezession gibt und alle Vermittlungsversuche gescheitert sind, muss das von der Zentralregierung akzeptiert werden, weil die Alternative Bürgerkrieg bedeuten würde.
Auch in der Ukraine müsste man versuchen vernünftig zu vermitteln. Kiew müsste gegenüber der Ostukraine weitere Zugeständnisse machen, das heißt mehr Autonomie zugestehen.
Warum zitieren Sie eigentlich die Entscheidung des Obersten Gerichts von Kanada. Hat diese Entscheidung internationale Bedeutung?
Das ist die einzige juristische Entscheidung, die wir zur Frage der Sezession haben und sie ist aus meiner Sicht als Rechtsphilosoph durch und durch vernünftig. Die Entscheidung ist kritisiert worden, von denen, die sagen, eine Sezession wird niemals akzeptiert, die Entscheidung ist viel zu nachgiebig.
Wir leben in einer Zeit wo das was sie als grundlegendes ethisches Ziel postulieren, die Vermeidung eines Bürgerkrieges, immer mehr verletzt wird. Wenn die Staaten Autonomie-Bestrebungen generell als Realität annehmen und geforderte Autonomie-Rechte zugestehen, könnte die Welt dann stabiler werden?
Man muss den Regionen, die deutlich zur Abspaltung tendieren, mehr Autonomie-Rechte geben. Man muss ihnen aber auch sagen, es hat einen Sinn, dass wir formelle Staatsgrenzen haben. Von diesem Sinn profitiert ihr in Wahrheit auch. Die ganze völkerrechtliche Ordnung würde erschüttert, wenn jeder Verein seinen eigenen Staat aufmachen dürfte. Es müssten für solche Situationen – so meine ich - auf Seiten der UNO Institutionen geschaffen werden mit für solche Fragen geschulten und von höchster Autorität beglaubigten Mediatoren.
Der Konflikt in der Ukraine hat auch eine kulturelle Seite. Die Romane von Tolstoi und Dostojewski wurden jetzt vom Lehrplan genommen, weil diese Schriftsteller russisch-imperiale Sichtweisen vertreten.
Das ist nicht nur absurd, sondern auch eine militante Geste, die nicht gut ist. Was erzwungen werden müsste – und die westlichen Staaten hätten auf Kiew viel mehr Druck ausüben müssen – sind friedliche Formen der Mediation. Es gibt keine Patentlösung für diese Fragen. Die hätte es auch in Katalonien nicht gegeben, wenn die dort weiter auf Konfrontation gesetzt hätten.
Schauen sie mal auf England und Schottland, wie das da vor zwei Jahren gehandhabt wurde. Die Schotten haben abgestimmt und die Engländer haben gesagt, macht´s bloß nicht. Aber die haben doch nicht gesagt, wenn ihr auf die Idee kommt, dann sind wir sofort mit der Armee dort. Natürlich haben die das nicht gesagt. Die haben gesagt, lieber nicht. Und sie haben sich auf eine Art Meinungskampf eingelassen. Und die Schotten haben sich nicht abgespalten.
Welche Lösung gibt es für die Krim-Frage heute? Der BND-Chef sagt, wir müssen uns mit der Krim lange beschäftigen.
Ja, aber der BND-Chef sagt, Russland ist ein potentieller Aggressor. Nicht eine Sekunde lang habe ich das je geglaubt. Das wurde ja hier in den Medien und der Politik hin und her dauernd rekapituliert. Russland könnte das Baltikum bedrohen und könnte in Polen einmarschieren.
Warum haben sie das nicht geglaubt?
Weil Putin, was immer man ihm sonst an Macht-Instinkt und unguten Zügen zuschreiben kann, einer der intelligentesten internationalen Politiker ist, die wir haben und weil der Einmarsch in Polen und einem baltischen Staat auf der Stelle den Dritten Weltkrieg heraufbeschwören müsste. Das sind Nato-Mitglieder. Die Nato wäre verpflichtet einzugreifen. Das sind vollkommen absurde Zuschreibungen.
Wie meinen Sie das, einer der intelligentesten Politiker?
Selbstverständlich will Putin keinen Dritten Weltkrieg. Also ich sage ihnen ganz klar: Alle unsere Politiker, die gesagt haben, Russland könnte Polen, Estland, Lettland und Litauen militärisch bedrohen, keiner von denen hat das eine Sekunde lang geglaubt. Das ist doch eine völlig absurde These. Wenn Putin einen Krieg mit den USA anfangen würde, wäre er ein Selbstmörder, nicht nur für sich persönlich, sondern für sein ganzes Volk.
Sie haben in ihrem Aufsatz für die FAZ 2014 geschrieben, die vorschnelle Anerkennung der Krim durch Russland war völkerrechtswidrig. Russland hätte damit warten müssen.
Ich halte das für völkerrechtswidrig. Aber man muss dazu sagen. Das gleiche ist mit dem Kosovo geschehen. Und jetzt möchte ich mal zwei Dinge an der Kosovo-Diskussion richtigstellen. Da ist ja immer gesagt worden, die Kosovo-Lage könne man nicht mit der Krim vergleichen, denn die Albaner seien von den Serben blutig geknechtet worden.
Das stimmte, als der Kosovo sich abgespalten hat, seit fast seit zehn Jahren nicht mehr. Der Kosovo war unter der Verwaltung der UNO und der Europäischen Union. Die haben ja dort die Polizeikräfte aufgebaut. Es gab eine neue serbische Regierung. Es gab eine neue serbische Verfassung. Milošević, der Schurke, der zehn Jahre vorher im Kosovo aggressiv agiert hatte, war in Den Haag in Haft und war schon gestorben, als der Kosovo sich abgespalten hat.
Und das dritte ist: Hier in den Medien wurde immer gesagt, die Volksabstimmung auf der Krim sei nichts wert gewesen. Im Kosovo gab es überhaupt keine Volksabstimmung. Trotzdem wurde der Kosovo von den Amerikanern am nächsten und von Deutschland am zweiten Tag anerkannt. Wir haben also im Kosovo einen Präzedenzfall geschaffen. Und der Internationale Gerichtshof hat in einer intern hochumstrittenen Entscheidung gesagt, das Völkerrecht sagt nichts dazu.
Insofern war die Anerkennung des Abspaltungs-Referendums auf der Krim durch Russland völkerrechtswidrig aber auch dieser Völkerrechtsbruch war federleicht geworden durch das eigene Verhalten des Westens im Kosovo.
Das Interview führte Ulrich Heyden
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