Tuesday, November 15, 2016

Das Trump-Übergangsteam: Das Personal macht die Politik

Der zukünftige amerikanische Präsident Donald Trump beim Treffen mit Paul Ryan  und Vize-Präsident Mike Pence am Parlament in Washington, 10. November 2016.
Der zukünftige amerikanische Präsident Donald Trump beim Treffen mit Paul Ryan und Vize-Präsident Mike Pence am Parlament in Washington, 10. November 2016.
Nach jedem Wahlsieg schaut das politische Washington auf das „transition team“ des Wahlsiegers. Donald Trump wird bis zu 4.000 Stellen in der Regierung und der Verwaltung neu besetzen. Wer die Politik der USA in den kommenden vier Jahren bestimmt, lässt sich möglicherweise bereits an der Gruppe ablesen, die nun seine Amtsübernahme vorbereiten soll. 

Allerdings sind die alten Unterstützer aus den Zeiten des Wahlkampfes nicht automatisch in der neuen Regierung. Donald Trump wird, wenn überhaupt, am 19. Dezember gewählt. Die politischen USA, die Armee aus Think-Thanks, Lobbygruppen und Politikern, handelt mit dem neuen Machthaber im Weißen Haus konkrete Entscheidungen aus. Bisher erlebt der Immobilien-Zar aus den mächtigsten Sektoren der Gesellschaft radikale Ablehnung: dem Finanzsektor und dem Silicon Valley - mit Ausnahme des schillerndes Internet-Investors Peter Thiel, dessen Unternehmen Palantir Technologies auch der NSA zuarbeitet.
Die verschiedenen Machtgruppen werden vor der Abstimmung der Wahlmänner am 19. Dezember ihre Interessen verbindlich mit dem neuen Präsidenten aushandeln wollen. Wenn das nicht gelingt, ist durchaus ein Szenario vorstellbar, in dem das eintritt, was die Anti-Trump-Aktivisten auf der Straße und in den Redaktionen fordern: Dass nicht alle der 306 Wahlmänner für Trump stimmen. 
Die Differenz zu Hillary Clinton, die zumindest nach einer Meldung von AP am Samstag immerhin mehr an absoluten Wählerstimmen aufweisen kann, beträgt 74 Stimmen. Wenn Donald Trump sich nicht bereit zeigt, den traditionellen Machtgruppen ihre Pfründe und die Weiterführung ihrer Projekte zu garantieren, dann ist eine institutioneller Putsch nicht ausgeschlossen. Dafür müssen nur 37 Mahlmänner überzeugt werden, in der geheimen Wahl anders abzustimmen, als es die Mehrheit der Wähler in ihrem Bundesstaat will.
Angesichts der teilweise widersprüchlichen Programmatik des US-Unternehmers bleibt genug Platz für pragmatische Entscheidungen. So bleibt es ein Rätsel, wie Trump einerseits in Infrastrukturen und Industriearbeitsplätze investieren will, andererseits aber die Steuern senken. Ein großer Teil seiner Wähler und der demokratischen Basis wird den ersten Teil unterstützen, nicht aber den zweiten Ansatz. 
Daher versicherte der Linksaußen der Demokraten, Bernie Sanders, bereits kurz nach der Wahl, er könne sich vorstellen, Donald Trump zu unterstützen. Allerdings müsse der auf seine rassistische Rhetorik verzichten und die Finger vom Sozialsystem lassen. Ähnlich dürfte das auch die gesamte Riege der neokeynesianischen Ökonomen sehen. Die aktuelle Frage lautet also, welche Abstriche Donald Trump vornimmt und zu wessen Gunsten.

Ein prominenter Teil der angelsächsischen Wirtschaftswissenschaftler wie Joseph Stiglitz und Carl Shapiro fordert etwa seit Jahren eine Abkehr vom Neoliberalismus. Während die Wall Street und auch die High-Tech-Monopolisten von Apple bis Facebook vor allem Freihandel und billiges Geld verlangen, braucht die Main-Street, die einfachen Beschäftigten und die mittleren Unternehmen, genau das Gegenteil: Protektionismus und verzinste Sparmöglichkeiten. 
Wenn der neoliberale Mainstream bei Republikaner und Demokraten den neuen Präsidenten weiterhin derartig angreift wie bisher, und ihm etwa mit einem institutionellen Putsch durch die Wahlmänner das Leben schwer macht, dann wird sich Donald sein Team an anderer Stelle zusammensuchen. Dies gilt umso mehr, als dass Donald Trump vor allem ein Geschäftsmann ist. Das Regieren überlässt er ohnehin dem Personal.
Ein erster vorsichtiger Wechsel lässt sich im Trump-Lager bereits beim Thema Außen- und Sicherheitspolitik feststellen. Bis vor kurzem galt der ehemalige Chef des Militärgeheimdienstes DIA, Generalleutnant Michael Flynn, als der engste Berater für Außen- und Sicherheitspolitik. Flynn führt eine lange Riege von Dissidenten aus den Geheimdiensten an, die mit öffentlichen Erklärungen die Pläne ihrer Vorgesetzten hintertrieben haben. 
So geht die Veröffentlichung der Tatsache, dass die US-Geheimdienste bereits seit dem Jahr 2012 wussten, dass ihre Schützlinge in Syrien einen „Islamischen Staat“ aufbauen wollen, auf den Ex-General zurück. Der bekennende Demokrat kritisierte die Folterpraxis durch die US-Geheimdienste und unterstützte von Anfang an Donald Trump.
Die Clinton-Medien spekulierten bereits, dass sich Michael Flynn Chancen ausrechne, zukünftig Verteidigungsminister zu werden. Im aktuellen sicherheitspolitischen Team taucht er jedoch nicht auf. Es wird geleitet von dem ehemaligen Abgeordneten Mike Rogers. Als Ex-Vorsitzender des Geheimdienstausschusses kennt er sich gut mit den 16 Geheimdiensten aus. Nebenbei sitzt er in den Vorständen der Rüstungs- und Überwachungsfirmen IronNet Cybersecurity und Next Century Corp.
Den Einzug ins Verteidigungsministerium leitet Generalleutnant Keith Kellogg. Dem wird zwar eine Nähe zu Michael Flynn nachgesagt. Vor seinem Ruhestand leitete Kellogg die Besatzungsbehörde im Irak. Vor seiner Ernennung ins „transition team“ fungierte er bei Trump als Berater für Außenpolitik. Er arbeitet eng mit Mira Ricardel zusammen, einer ehemaligen stellvertretenden Staatssekratärin im Verteidigungsministerium unter George W. Bush. Vor kurzem wurde sie Vizepräsidentin bei Boeing Strategic Missile & Defense Systems.
Den Übergang im Außenministerium leitet Jim Carafano. Er ist bisher Vizepräsident der Heritage Foundation und dort für auswärtige und verteidigungspolitische Forschung zuständig. Carafano diente 25 Jahre lang in der Armee und galt als Trumps Berater für die Themen Terrorismus und Grenzsicherheit. In einem Radio-Interview erklärte Carafano vor kurzem, er habe Trump geraten, dass die nächste Regierung sich stärker um kriminelle Kartelle, die Grenzsicherheit und al-Qaida kümmern müsse.
Wie im Bereich Außen- und Sicherheitspolitik stammen auch die anderen Berater von Donald Trump bisher aus der zweiten Reihe. Zudem kommen sie politisch fast durchgehend vom Rechten Rand der Republikaner. Bisher engagierten sie sich dafür, dass Recht auf Abtreibung einzuschränken, den Verbraucherschutz auszurotten, die Verteidigungsausgaben zu steigern und Umweltvorschriften aufzuheben.
Wichtige Mitglieder des Trump-Teams sind zudem Befürworter einer radikalen Privatisierung staatlicher Programme, einschließlich der sozialen Sicherheit. Genau diese wirtschaftspolitischen Vorstellungen stellen bisher eine große Schwachstelle dar, denn das ist genau nicht das, was die Trump-Wähler möglicherweise erwarten.
„Als die Leute, die für ihn gestimmt haben, davon ausgingen, dass er die Wirtschaft aufrütteln würde, da dachten sie, glaube ich, nicht daran, dass er alles privatisieren wird", meint Dean Baker, ein fortschrittlicher Ökonom. "Er führte diese populistische Anti-Wall Street-Kampagne, und er wendet sich jetzt an die Wall Street und an die Lobby-Jungs.“
Das Problem beginnt schon in der Leitung: Ron Nichol, ein Senior-Partner bei der The Boston Consulting Group, einem der weltgrößten Beratungsunternehmen, leitet der Übergang hinter den Kulissen. Die Innenpolitik wird bisher von Ken Blackwell beaufsichtigt. Er gehört zum Family Research Council, der gegen gleichgeschlechtliche Ehe und Abtreibung zu Felde zieht.
Um Energiefragen kümmert sich Mike McKenna, der als Energielobbyist verschiedene Elektrizitäts- und Chemieunternehmen vertritt. Cindy Hayden, eine ehemalige Abgeordnete im Kongress, die jetzt der wichtigste Lobbyist für die Muttergesellschaft des Zigarettenherstellers Philip Morris, Altria ist, beaufsichtigt den Übergang im Bereich Homeland Security.

Jeff Eisenach, ein Berater und ehemaliger Lobbyist, der sich immer für die Deregulierung der Telekommunikationsindustrie eingesetzt hat, beaufsichtigt den Übergang in der Federal Communications Commission. Der für Soziale Sicherheit zuständige Mitarbeiter Michael Korbey ist ebenfalls ein ehemaliger Lobbyist, der unter George W. Bushs die Kampagne zur Privatisierung des amerikanischen Rentensystems leitete.
Und schließlich: Die Person, welche das Thema Transport betreut, ist eine Spezialistin für „Private-public Partnerships“, mit denen Unternehmens bei jeder Gelegenheit und ganz legal Steuermittel entwenden. Shirley Ybarra war als Staatssekratärin für Transport in Virginia bereits dafür zuständig, Straßen zu privatisieren und Maut-Systeme einzurichten.
Alles in allem: In diesem Team sind die Wall Street und das Silicon Valley bisher kaum vertreten, auch wenn Gerüchte kursieren, Trump wolle den ehemaligen Goldman Sachs-Banker Steven Mnuchin zu seinem Finanzminister machen.
Eine unabhängige Politik zu entwickeln, erfordert wahrscheinlich größere Breite und einigermaßen funktionierende Konzepte. Gleichzeitig die Steuern zu senken und die Staatsausgaben zu erhöhen, funktioniert nur durch geldpolitischen Betrug.
Gleichzeitig noch ein großes Infrastrukturprogramm und einen Bauboom anzukündigen sowie den amerikanischen Staat zu entschulden: Das geht nicht zusammen. Insofern bleibt abzuwarten, welchen anderen Gruppen sich Donald Trump in den nächsten Wochen noch zuwendet und welche politischen Kompromisse er dabei schließt.

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