Saturday, November 10, 2012

Das Dorf Ayn Hawd im Karmelgebirge


 Station 11 der Via Dolorosa: En Hod ein  israelisches Künstlerdorf - Ayn Hawd ein palästinensisches  Phantomdorf 

 


Blick aus einer Keramikwerkstatt in En Hod

Ein Hod vermittelt uns Reisenden einen Eindruck davon, wie schön Palästina einst war, wie schön die arabischen Dörfer vor der Landnahme  durch europäische Siedler gewesen sind. Die Häuser der einstigen Besitzer blieben hier ausnahmsweise  erhalten.  Die neuen Bewohner,  allesamt Kunstschaffende, scheinen von der  tragischen Vorgeschichte unberührt, weil ahnungslos.

Foto: A. Kunert
  • Neben  den renommierten, mit Nationalpreisen dotierten Künstlern der Kolonie  En Hod  gibt es auch solche Kreative, die ihr Wissen um Ayn Hawd nicht verbergen. So die Architekten Sabine Horlitz und Oliver Clemens. Ihr Projekt fordert unter dem Titel "Spatial Justice for Ayn Hawd" die Rechte der arabischen Dorfbewohner ein. Sie bestätigen, was wir auch vom arabischen Bürgermeister der kleinen Gemeinde vor Ort gehört haben.
  • Die freie Residenzwahl wird der arabisch-palästinenischen Minorität, die nach dem Krieg auf israelischem Territorium verblieben ist, vorenthalten. Ungefähr 100 000 Personen leben in solchen "nichtanerkannten Dörfern", die vom Staat Israel für  illegal erklärt wurden. Elementare Versorgungseinrichtungen wie etwa Elektrizität, Wasser,  Straßen werden den Bewohnern vorenthalten,  ein  Autonomiestatus wird ihnen  verweigert. Offiziell existieren diese Orte einfach nicht. Die verschiednen Formen privater Besitzansprüche von palästinensischer Seite auf das betreffende Land werden mit dem Anspruch  "Jüdisches Nationaleigentum" abgewehrt. Die palästinensischen Anwohner sollten demnach in  in sogenannte "townships", in neu zu bauende Städtesiedlungen transferiert werden.
  •  Im Zuge des 1948 Krieges  vertrieb die israelische Armee zwischen 650 bis 950 Einwohner des 900 Jahre alten  muslimischen Dorfes Ayn Hawd. Der Staat Israel konfiszierte das Land. 
  • Landbesitz in unmittelbarer Nähe ermöglichte es  der  Familie von Abu Hilmi sich in der Nähe niederzulassen,  in der Hoffnung auf baldige Rückkehr. Mit der Beendigung des Krieges änderten sich die Methoden de Besatzer. Der militärischen Aushebung des alten Dorfes  folgte die legalisierte Enteignung mit der der Status quo nach dem Kriege festgeschrieben wurde. Das ehemalige Palästinenserdorf Ayn Hawd wurde umbenannt in En Hod. Seit 1953 wurde es zu einer Artistenkolonie umgewandelt und als Zentrum für israelische Kulturproduktion  gefördert, während die Versorgung mit lebenswichtiger Infrastruktur  den Heimatvertriebenen ganz in der Nähe verweigert wurde. 
  • Das "Law of Absentee Property" aus dem Jahre 1950 verhindert die Rückkehr dieser Menschen. Der Besitz der Vertriebenen, die  zu dieser   Zeit nicht auf ihrem Land anwesend waren, wurde für illegal erklärt und gleichzeitig "legaler" Besitz des Staates Israel.  Die Flüchtlinge im Lande wurde zu "anwesenden  Abwesenden" erklärt, was  den Verlust verschiedener Bürgerrechte nach sich zog.
  • Bauen in Ayn Hawd ist gegen das Gesetz. Die Gegend um Ayn Hawd wurde mal als Landwirtschaftsgebiet dem  Karmel-Nationalpark zugerechnet, mal als militärisches Nutzgelände ausgewiesen, niemals aber als Siedlungsgebiet für Menschen palästinensischer Herkunft.
  • Ursprünglich haben die Bewohner des Vertriebenendorfes Ayn Hawd sich selbst versorgt, aber die Judaisierung  des Landes, Maßnahmen wie die Pflanzung schnell wachsender Zypressen  und das darauf folgende Absterben der Olivenbäume, sowie das Verbot der Nutztierhaltung verunmöglichen ihnen  am Ende  die Autarkie.
  • Das Architekten-Paar Clemens/Horlitz sieht eine zukünftig gerechte Verteilung von Land vor. Sie akzeptieren  in ihrem Projektentwurf aber als Ausgangspunkt die real-exisitierende Raumverteilung, problematisieren aber die  staatlicherseits vorgelegten  Entwicklungspläne, die etwa das  Künstlerdorf  En Hod systematisch begünstigen, wie alle israelischen Siedlungen.
  • Sie legen   ein alternatives  Bebauungskonzept  Konzept vor, dass gewisse lebensnotwendige Infrastrukturmaßnahmen vorsieht, so   einen Kindergarten, den Ausbau der  provisorischen Schule, ein Kulturzentrum, die Absicherung der Wasser- und Abwasserversorgung.
CONTACT: Sabine Horlitz / sabine.horlitz@gmx.net
PROFESSION: Architecture CODE: osch


Unser Gespräch mit dem Bürgermeister des Ortes, einem weltbewanderten Mann vom Schlage eines Daoud Nasser, der  im Westjordanland einen vergleichbaren Überlebenskampf führt, lässt wenig Raum  für Hoffnung auf baldige Realisierung solche Pläne.
Awn Hawd scheint trotz bester internationaler Vernetzung ein dem Untergang geweihter Ort. Der  unermüdliche Kämpfer für die Überlebensrechte seiner Leute wirkt heute recht entmutigt. Auf einem geräumigen Tisch in seinem verwaist wirkenden "Ausflugslokal"liegen Visitenkarten aus aller Welt. Die Welt, die hier zu Gast war, schweigt oder verfügt über zu wenig Einfluss.
Immerhin haben sich  die Bewohner   eine inoffizielle Duldung ihrer Gemeinde erkämpft und das Ringen um eine bessere Zukunft hört nicht auf.